Scheinselbstständigkeit: Gefahr für Selbstständige und Auftraggeber

Scheinselbstständigkeit bleibt ein Risiko – auch in Schleswig-Holstein. Warum mehrere Auftraggeber nicht automatisch schützen, welche Regeln gelten und was GmbH-Geschäftsführer beachten müssen.


Scheinselbstständigkeit – ein unterschätztes Risiko

In Schleswig-Holstein wie auch bundesweit wächst die Zahl der Selbstständigen, die flexibel und unabhängig arbeiten wollen. Doch mit der Freiheit kommt ein oft übersehener Stolperstein: die Scheinselbstständigkeit. Wer nur scheinbar selbstständig tätig ist, läuft Gefahr, rückwirkend als sozialversicherungspflichtig eingestuft zu werden – mit erheblichen Konsequenzen für alle Beteiligten.

Besonders brisant: Auch GmbH-Geschäftsführer oder Freelancer mit mehreren Auftraggebern können betroffen sein. Denn nicht jeder Vertrag schützt – und nicht jede Auftragslage bietet Sicherheit.


Was ist Scheinselbstständigkeit überhaupt?

Von Scheinselbstständigkeit spricht man, wenn jemand formal als Selbstständiger auftritt, tatsächlich aber wie ein Arbeitnehmer in die Abläufe eines Unternehmens eingebunden ist – ohne einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsvertrag zu haben. Die Deutsche Rentenversicherung oder das Statusfeststellungsverfahren der Clearingstelle prüft dann genau:

  • Bin ich weisungsgebunden?
  • Arbeite ich regelmäßig für denselben Auftraggeber – mit fester Arbeitszeit oder -ort?
  • Bin ich wirtschaftlich abhängig?
  • Nutze ich eigene Betriebsmittel – oder die meines Auftraggebers?

Schon kleine Details im Alltag können den Unterschied machen.

Hier Informationen zur Kleinunternehmerregelung: Neue Kleinunternehmerregelung 2025


Der Irrglaube: „Ich habe mehrere Auftraggeber – also alles sicher!“

Ein weitverbreiteter Irrtum: Wer für mehrere Kunden arbeitet, kann nicht scheinselbstständig sein. Doch das ist nicht per se korrekt. Entscheidend ist nicht die Zahl der Kunden, sondern:

  • Wie viel Prozent des Umsatzes macht ein einzelner Auftraggeber aus?
  • Besteht organisatorische Eingliederung bei einem Hauptauftraggeber?
  • Arbeitet man auf Zuruf oder in dauerhafter Abstimmung mit einem Unternehmensteam?

Ein Beispiel: Wer 80 % seiner Einnahmen aus einem Unternehmen bezieht, täglich im Betrieb sitzt, dessen E-Mail-Adresse nutzt und an dessen Meetings teilnimmt, gilt schnell als arbeitnehmerähnlich beschäftigt – selbst wenn noch zwei kleinere Auftraggeber bestehen.


Was bedeutet das für GmbH-Geschäftsführer?

Auch bei GmbH-Geschäftsführern stellt sich oft die Frage: Bin ich sozialversicherungspflichtig oder nicht?

Wichtig: Selbst wenn man als Geschäftsführer auftritt, kann eine abhängige Beschäftigung vorliegen – vor allem, wenn man nicht mehrheitlich an der GmbH beteiligt ist und keine vollständige Weisungsfreiheit besitzt. Das betrifft z. B.:

  • Geschäftsführer mit Minderheitsanteilen
  • Geschäftsführer, die auf Gesellschafterbeschluss abberufen werden können
  • Geschäftsführer mit arbeitsvertraglichen Regelungen zu Arbeitszeit, Urlaub, etc.

Auch hier lohnt sich ein Statusfeststellungsverfahren bei der DRV.


Vertragliche Regelungen reichen oft nicht aus

Viele Selbstständige verlassen sich auf ihren schriftlichen Vertrag. Doch der entscheidende Punkt ist: Die tatsächliche Durchführung zählt. Selbst wenn im Vertrag steht, dass man frei und unabhängig sei, kann der Alltag eine andere Sprache sprechen.

Beispielhafte vertragliche Fallstricke:

  • Feste Arbeitszeiten und -orte
  • Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung (kein Einsatz von Subunternehmern)
  • Einbindung in Dienstpläne
  • Nutzung von Arbeitsmitteln des Auftraggebers
  • Teilnahme an Team-Meetings

Das alles kann als Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gewertet werden.


Was kann ich tun, um nicht scheinselbstständig zu sein?

  • Statusfeststellung beantragen: Bei Zweifeln hilft das freiwillige Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung.
  • Arbeitsweise dokumentieren: Frei gewählte Arbeitszeiten, eigener Laptop, keine dauerhafte Präsenz im Betrieb – solche Dinge können entlastend wirken.
  • Vertrag regelmäßig prüfen lassen: Rechtsanwälte oder spezialisierte Steuerberater kennen die Fallstricke und helfen beim Aufsetzen wasserdichter Verträge.

Was droht bei Feststellung von Scheinselbstständigkeit?

Die Konsequenzen sind nicht nur ärgerlich, sondern teuer:

  • Rückwirkende Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge durch den Auftraggeber (Arbeitgeberanteil und oft auch der Arbeitnehmeranteil)
  • Bußgelder und Nachforderungen
  • Strafrechtliche Relevanz bei Vorsatz

Auch für Selbstständige selbst kann es bitter werden: Es drohen Steuernachzahlungen, Reputationsschäden und im schlimmsten Fall das Aus für das Geschäftsmodell.


Scheinselbstständigkeit im grenzüberschreitenden Kontext

Gerade grenzüberschreitend tätige Kleinunternehmer (z. B. mit Kunden in Dänemark oder Polen) sollten aufpassen: Unterschiedliche Rechtssysteme, Doppelbesteuerungsabkommen und fehlende Kenntnis nationaler Vorschriften erhöhen das Risiko.

Tipp: Frühzeitig Kontakt aufnehmen mit:

  • IHK Schleswig-Holstein (Außenwirtschaftsabteilung)
  • Deutsche Rentenversicherung
  • Beratung durch Fachanwälte für internationales Sozialversicherungsrecht

Fazit: Wachsamkeit statt Leichtsinn

Scheinselbstständigkeit ist kein rein juristisches Randthema. Wer sich in Schleswig-Holstein selbstständig macht – ob als Soloselbstständiger, Freelancer oder Geschäftsführer einer GmbH –, sollte sich mit dem Thema vertraut machen. Es geht nicht um Bürokratie, sondern um rechtliche Sicherheit und wirtschaftliche Zukunft.

👉 Gut gemeint ist nicht gut gemacht: Der beste Vertrag nützt nichts, wenn die gelebte Praxis ihn aushebelt. Sicherheit bietet nur die Kombination aus durchdachtem Vertragswerk, gelebter Unabhängigkeit – und im Zweifelsfall einem Statusfeststellungsverfahren.

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Von Michael

M. ist Geschäftsführer und Gründer eine Agentur für Digitalisierung und Marketing und lebt in der Region Stuttgart. Schleswig-Holstein kennt er aus zahlreichen Urlauben – das Bundesland zwischen Nord- und Ostsee ist längst zu seinem Lieblingsreiseziel geworden. Er verfolgt aufmerksam die Entwicklungen in Schleswig-Holstein und schätzt dabei besonders die Vielfalt zwischen Küstenregionen und den ruhigen, ländlichen Gebieten im Binnenland. Er schreibt auch für das Portal Hof-Nachfolge.de, wo er sich intensiv mit den Herausforderungen der Hofübergabe und landwirtschaftlichen Betriebsnachfolge auseinandersetzt. Seine Leidenschaft gilt dabei insbesondere den Menschen hinter den Betrieben und deren Geschichten. Darüber hinaus begleitet er mit der Digitalagentur 4everglen Unternehmen aus Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg bei ihren digitalen und strategischen Herausforderungen. Als Experte für Digitalisierung und zukunftsfähiges Marketing setzt er sich dafür ein, regionale Unternehmen und Kommunen fit für die Zukunft zu machen.