Schleswig-Holstein ist nicht unbedingt das erste Bundesland, das einem in den Sinn kommt, wenn man an Start-ups denkt. Doch die Nähe zu Hamburg, einer der wichtigsten Wirtschafts- und Innovationszentren Deutschlands, eröffnet Gründern im nördlichsten Bundesland unerwartete Vorteile. Die Hypothese: Schleswig-Holstein kann durch strategische Vernetzung mit Hamburg eine dynamische Start-up-Szene entwickeln, die Gründer, Unternehmen und Kommunen gleichermaßen stärkt. Doch wie realistisch ist das, und welche konkreten Chancen und Herausforderungen gibt es?
1. Die geographische Nähe: Ein Wettbewerbsvorteil
Schleswig-Holstein grenzt direkt an die Metropolregion Hamburg – eine der wirtschaftlich stärksten Regionen Deutschlands. Für Start-ups bedeutet das:
- Direkter Zugang zu einem großen Markt: Mit über 1,8 Millionen Einwohnern bietet Hamburg ein enormes Kundenpotenzial. Start-ups können von Schleswig-Holstein aus agieren und gleichzeitig von der Marktdynamik Hamburgs profitieren.
- Verkehrsanbindung: Mit dem gut ausgebauten Bahn- und Straßennetz ist Hamburg von vielen Orten in Schleswig-Holstein innerhalb von ein bis zwei Stunden erreichbar. Dies ermöglicht schnelle Geschäftsreisen und regelmäßige Präsenz in der Metropole.
2. Kostenersparnis: Schleswig-Holstein als finanzieller Vorteil
Hamburg mag attraktiv sein, aber die Lebenshaltungs- und Mietkosten sind für junge Unternehmen oft ein Hindernis. Schleswig-Holstein bietet hier eine erschwinglichere Alternative.
- Büromieten: Die Kosten für Büroflächen sind in Schleswig-Holstein durchschnittlich 30–50 % günstiger als in Hamburg.
- Lebenshaltungskosten: Gründer können in Städten wie Lübeck, Kiel oder Flensburg leben und arbeiten, ohne die finanziellen Belastungen, die in Hamburg typisch sind.
Kritikpunkt: Günstigere Kosten allein reichen nicht aus, um Start-ups langfristig anzuziehen. Es braucht weitere Anreize, wie den Zugang zu Fördermitteln und Netzwerken.
3. Netzwerke und Förderprogramme: Hamburg als Drehscheibe für Innovation
Die Nähe zu Hamburg ermöglicht Gründern in Schleswig-Holstein den Zugang zu etablierten Netzwerken und Förderprogrammen:
- Innovationszentren und Accelerators: Hamburg bietet renommierte Programme wie den Next Commerce Accelerator oder Plug and Play. Schleswig-Holsteiner Start-ups können an diesen Programmen teilnehmen, ohne dauerhaft in Hamburg präsent sein zu müssen.
- Branchenspezifische Netzwerke: Branchen wie Logistik, Medizintechnik und erneuerbare Energien sind in Hamburg stark vertreten. Start-ups aus Schleswig-Holstein profitieren von der Nähe zu Branchenexperten und potenziellen Partnern.
4. Herausforderungen: Die Abhängigkeit von Hamburg
Trotz der Vorteile birgt die Nähe zu Hamburg auch Risiken:
- Brain Drain: Viele Talente aus Schleswig-Holstein ziehen nach Hamburg, da sie dort bessere Karrieremöglichkeiten und Netzwerke vermuten.
- Wettbewerb: Start-ups aus Schleswig-Holstein stehen in direkter Konkurrenz zu Hamburger Unternehmen, die oft besser vernetzt und finanziell besser ausgestattet sind.
Kritikpunkt: Schleswig-Holstein muss eigene Stärken entwickeln, um Start-ups langfristig zu halten und nicht nur als „verlängerte Werkbank“ Hamburgs wahrgenommen zu werden.
5. Kommunen als Start-up-Förderer
Die Kommunen in Schleswig-Holstein können entscheidend dazu beitragen, dass Gründer die Nähe zu Hamburg optimal nutzen:
- Regionale Förderprogramme: Initiativen wie die Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein (WTSH) bieten spezifische Unterstützungsangebote für Gründer.
- Coworking-Spaces und Infrastruktur: Moderne Arbeitsräume und eine gute digitale Infrastruktur machen den Standort für Start-ups attraktiv.
- Starke Branchen fördern: Kommunen sollten gezielt Branchen unterstützen, die in Schleswig-Holstein besonders stark sind, wie erneuerbare Energien, Agrartechnologie oder maritime Wirtschaft.
6. Erfolgsmodelle aus der Praxis
Mehrere Start-ups aus Schleswig-Holstein zeigen, wie man die Nähe zu Hamburg erfolgreich nutzen kann:
- Logistik-Start-up aus Lübeck: Dieses Unternehmen nutzt die Hafeninfrastruktur Hamburgs, während es von Lübeck aus seine IT-Entwicklung steuert.
- MedTech-Firma aus Kiel: Sie kooperiert mit Hamburger Krankenhäusern für Produktstudien, während die Forschung an der Uni Kiel bleibt.
Fazit: Hamburg als Chance, nicht als Risiko
Die Nähe zu Hamburg bietet Start-ups in Schleswig-Holstein enorme Chancen, insbesondere durch den Zugang zu Netzwerken, Förderprogrammen und einem großen Kundenmarkt. Gleichzeitig dürfen die Herausforderungen nicht unterschätzt werden: Ohne eine gezielte Förderung und Weiterentwicklung der regionalen Stärken besteht die Gefahr, dass Schleswig-Holstein lediglich als günstiger Produktionsstandort genutzt wird. Unternehmer, Gründer und Kommunen sind gleichermaßen gefragt, eine nachhaltige Strategie zu entwickeln, um die Vorteile der Metropolregion zu nutzen und eigene Alleinstellungsmerkmale zu etablieren.
FAQ: Häufig gestellte Fragen
1. Was sind die größten Vorteile für Start-ups in Schleswig-Holstein durch die Nähe zu Hamburg?
Start-ups profitieren von Hamburgs großen Netzwerken, Innovationsprogrammen und Kundenmärkten, während sie in Schleswig-Holstein von niedrigeren Kosten und einer entspannteren Arbeitsumgebung profitieren.
2. Welche Branchen haben in Schleswig-Holstein besonders großes Potenzial?
Erneuerbare Energien, Agrartechnologie, maritime Wirtschaft und Medizintechnik sind in Schleswig-Holstein stark vertreten und bieten gute Chancen für innovative Start-ups.
3. Wie können Kommunen Start-ups unterstützen?
Kommunen sollten in digitale Infrastruktur, Coworking-Spaces und gezielte Förderprogramme investieren. Zudem können sie durch Kooperationen mit Hamburg starke Netzwerke aufbauen.
4. Besteht nicht die Gefahr, dass Talente und Start-ups langfristig nach Hamburg abwandern?
Ja, das ist ein Risiko. Schleswig-Holstein muss durch attraktive Angebote wie Förderprogramme, moderne Arbeitsplätze und ein gutes Lebensumfeld dafür sorgen, dass Talente und Gründer in der Region bleiben.
5. Ist Schleswig-Holstein nur eine kostengünstige Alternative zu Hamburg?
Nein, Schleswig-Holstein hat eigene Stärken, wie spezialisierte Branchen, weniger Bürokratie und einen hohen Lebensstandard. Diese Vorteile müssen jedoch besser kommuniziert und genutzt werden, um sich eigenständig zu positionieren