Ein Kompromiss, der niemanden ganz zufriedenstellt?
Die Bäderverordnung, die seit 2014 in Schleswig-Holstein gilt, regelt die sonntäglichen Ladenöffnungen in touristischen Orten. Während sie eine rechtliche Einigung zwischen Kirchen, Gewerkschaften und der Wirtschaft darstellt, hat sie gleichzeitig für deutliche Einschränkungen gesorgt. Die Hypothese lautet: Die reduzierte Öffnungszeit könnte die Wettbewerbsfähigkeit des Tourismusstandorts Schleswig-Holstein gefährden – oder ist sie ein notwendiger Schutz für Ruhe und Erholung?
Fakten, Kritik und Perspektiven
1. Was regelt die Bäderverordnung?
Die Verordnung erlaubt es ausgewählten Orten mit touristischem Schwerpunkt, ihre Geschäfte an Sonntagen in bestimmten Zeiträumen zu öffnen. Die wichtigsten Eckpunkte:
- Reduzierte Öffnungszeiten: Nur sechs Stunden (zwischen 11:00 und 19:00 Uhr) statt der vorherigen acht Stunden.
- Saisonbeschränkung: Die Verordnung gilt vom 15. März bis 31. Oktober sowie vom 17. Dezember bis 8. Januar.
- Eingeschränktes Warensortiment: Es dürfen nur Waren des täglichen Bedarfs und touristischen Bedarfs verkauft werden, große Einzelhändler wie Möbel- oder Autohäuser sind ausgeschlossen.
2. Wirtschaftliche Auswirkungen: Ein zweischneidiges Schwert
Die Tourismusbranche bewertet die Verordnung kritisch. Der Einkaufsbummel gehört zu den Top-3-Urlaubsaktivitäten in Schleswig-Holstein, insbesondere bei schlechtem Wetter oder in der Nebensaison. Folgende Herausforderungen ergeben sich:
- Eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit: Kürzere Öffnungszeiten und begrenzte Saisonen könnten dazu führen, dass Kaufkraft ins benachbarte Ausland abwandert, wo Ladenöffnungszeiten deutlich liberaler geregelt sind.
- Schwierigkeiten für Einzelhändler: Insbesondere kleinere Geschäfte in touristischen Orten könnten wirtschaftliche Einbußen hinnehmen müssen.
- Gefährdung der Attraktivität: Geschlossene Läden am Sonntag wirken weniger einladend und könnten das Image der Urlaubsorte beeinträchtigen.
3. Der politische und gesellschaftliche Kontext
Die Verhandlungen zur Bäderverordnung wurden unter hohem Druck geführt. Gewerkschaften und Kirchen forderten stärkere Einschränkungen zum Schutz von Arbeitnehmerrechten und zur Wahrung des Sonntagsschutzes. Der gefundene Kompromiss spiegelt diesen Interessensausgleich wider, ist jedoch kein klarer Gewinn für die Wirtschaft:
- Die Kirchen verzichten auf eine rechtliche Anfechtung der Verordnung, was Rechts- und Planungssicherheit für fünf Jahre gewährleistete.
- Aus Sicht der Wirtschaftspartner und Verbände bleibt der Kompromiss dennoch ein Verlust, da weniger Öffnungszeiten weniger Umsatz bedeuten.
4. Wie sieht die Zukunft aus?
Die Verordnung wurde für fünf Jahre festgeschrieben, mit einer Option auf Verlängerung. Doch angesichts des Trends zu kürzeren und intensiveren Reisen bleibt fraglich, ob diese Regelungen langfristig die Bedürfnisse des modernen Tourismusmarktes abdecken können.
Fazit: Stillstand oder Balance?
Die Bäderverordnung versucht, den Spagat zwischen wirtschaftlichen Interessen und gesellschaftlichen Werten zu schaffen. Doch sie bleibt ein Kompromiss, der vor allem von den Einschränkungen geprägt ist. Für Kommunen und Unternehmer bedeutet dies: Strategien zur Attraktivitätssteigerung müssen über die Ladenöffnungszeiten hinausgehen. Eine stärkere Digitalisierung, innovative Events und alternative Einnahmequellen könnten den verlorenen Boden wettmachen.
FAQ
1. Welche Regionen profitieren von der Bäderverordnung?
Die Verordnung gilt für Orte mit touristischer Relevanz wie Timmendorfer Strand, St. Peter-Ording oder Grömitz.
2. Warum wurden die Öffnungszeiten reduziert?
Die Reduktion war ein Zugeständnis an Kirchen und Gewerkschaften, um den Sonntagsschutz und Arbeitnehmerrechte zu stärken.
3. Was können Unternehmer tun, um die Einschränkungen zu kompensieren?
Neben der Nutzung digitaler Verkaufsplattformen sollten sie verstärkt auf touristische Attraktionen und Erlebnisse setzen, die auch außerhalb der Öffnungszeiten Gäste anziehen.
4. Ist eine Liberalisierung der Regelungen denkbar?
Das hängt von politischen Entwicklungen und den Verhandlungen der nächsten Verlängerung ab. Es wird jedoch schwierig, die Interessen von Wirtschaft und Gesellschaft in Einklang zu bringen.